Memento (2000) — Ein einzigartiger Thriller

Memen­to ist ein Thril­ler von Chris­to­pher Nolan, der sich durch sei­ne ein­zig­ar­ti­ge Erzähl­struk­tur aus­zeich­net.  Ich ver­su­che, den Film mög­lichst spoi­ler­frei zusam­men­zu­fas­sen. Trotz­dem wür­de ich jedem raten, vor­her den Film geschaut zu haben.

Zusammenfassung

Der Film Memen­to, erschie­nen im Jahr 2000, ist ein Thril­ler des renom­mier­ten Regis­seurs Chris­to­pher Nolan. Die Geschich­te dreht sich um Leo­nard Shel­by (gespielt von Guy Pear­ce), der an ante­ro­gra­der Amne­sie lei­det. Seit einem Über­fall, bei dem sei­ne Frau getö­tet wur­de, besitzt er kein Kurz­zeit­ge­dächt­nis und kann kei­ne neu­en Erin­ne­run­gen spei­chern. Trotz sei­ner Ein­schrän­kung ist Leo­nard fest davon über­zeugt, den Mör­der sei­ner Frau zu fin­den und sich zu rächen.

Um sei­nen All­tag und die Suche nach dem Mör­der trotz Amne­sie zu bewäl­ti­gen, nutzt er Pola­roid-Fotos, Noti­zen und sogar Täto­wie­run­gen auf sei­nem Kör­per, um sich an wich­ti­ge Details zu erin­nern. Sei­ne ein­zi­ge Spur: Ein Tat­too auf sei­nem Hals, das ihm sagt, dass „John G.“ für den Mord ver­ant­wort­lich ist.

Leo­nards Tatoos

(Ab jetzt fol­gen im rest­li­chen Blog­bei­trag even­tu­el­le Spoi­ler, d.h. der Film ist span­nen­der, wenn ihr jetzt auf­hört zu lesen.)

Memen­to erzählt sei­ne Geschich­te auf zwei Zeit­ebe­nen, die sich über­schnei­den: Eine Schwarz-Weiß-Sequenz läuft chro­no­lo­gisch ab, wäh­rend eine far­bi­ge Sequenz die Hand­lung rück­wärts erzählt. Jedes Mal, wenn Leo­nard sein Kurz­zeit­ge­dächt­nis ver­liert, wech­seln die Sequen­zen, sodass der Zuschau­er sich in der­sel­ben ver­wir­ren­den Lage wie die Haupt­fi­gur befin­det. Wäh­rend sei­ner Suche nach John G. trifft Leo­nard auf Ted­dy (Joe Pan­to­li­a­no), einen Freund, der ihm bei der Suche nach John G. unter­sützt. Doch schnell wird Leo­nard klar, dass Ted­dy nicht ganz ehr­lich zu ihm ist. Ted­dy stellt oft Infor­ma­tio­nen infra­ge und es scheint, als wüss­te er oft mehr über die Wahr­heit als er zugibt. Leo­nard lernt auch Nata­lie kennen(Carrie-Anne Moss), eine zwie­lich­ti­ge Frau, die ihre eige­nen Moti­ve zu haben scheint. Doch wem kann er wirk­lich ver­trau­en? Wäh­rend Leo­nard mehr Hin­wei­se sam­melt, wird all­mäh­lich klar, dass er mög­li­cher­wei­se selbst eine viel grö­ße­re Rol­le in den Gescheh­nis­sen spielt, als er denkt.

Das ist eine mei­ner Lieb­lings­sze­nen. Sie zeigt per­fekt, dass Leo­nard jeder­zeit sein Gedächt­nis ver­lie­ren kann.

Argumentation

Die Umset­zung des The­mas ver­stärkt das Film­erleb­nis
Der Film behan­delt das The­ma Erin­ne­rung und Wahr­heit auf eine Wei­se, die den Zuschau­er for­dert. Die Erzähl­wei­se ist nicht line­ar, son­dern wech­selt zwi­schen zwei Erzähl­strän­gen: Eine Schwarz-Weiss-Sequenz läuft chro­no­lo­gisch ab, wäh­rend die far­bi­gen Sze­nen rück­wärts erzählt wer­den. Die­ser Auf­bau zwingt das Publi­kum, sich stän­dig neu zu ori­en­tie­ren und ver­leiht der Hand­lung eine zusätz­li­che Dimen­si­on. Man fühlt sich genau­so ver­lo­ren wie Leo­nard Shel­by selbst.

Schau­spie­le­ri­sche Leis­tung und Cha­rak­ter­dar­stel­lung über­zeu­gen
Guy Pear­ce lie­fert als Leo­nard Shel­by eine bril­lan­te Per­for­mance ab. Sei­ne Dar­stel­lung eines Man­nes, der ver­zwei­felt nach Halt sucht und sich an sein selbst­ge­schaf­fe­nes Sys­tem klam­mert, ist abso­lut glaub­wür­dig. Er ver­kör­pert die Ver­zweif­lung, das Miss­trau­en und den unauf­hör­li­chen Drang nach Rache auf ein­drucks­vol­le Wei­se. Auch Joe Pan­to­li­a­no als Ted­dy über­zeugt mit sei­ner ambi­va­len­ten, mani­pu­la­ti­ven Art. Die Figu­ren sind nicht ein­di­men­sio­nal, son­dern wir­ken durch ihre Wider­sprü­che und Unsi­cher­hei­ten rea­lis­tisch und viel­schich­tig, was die Span­nung des Films zusätz­lich ver­stärkt.

Visu­el­le und tech­ni­sche Umset­zung
Neben der packen­den Hand­lung beein­druckt Memen­to auch durch sei­ne tech­ni­sche Umset­zung. Die wech­seln­den Farb­se­quen­zen, die sym­bo­li­sche Kame­ra­füh­rung und der geschick­te Schnitt tra­gen dazu bei, die Unsi­cher­heit der Haupt­fi­gur wider­zu­spie­geln. Die Musik von David July­an ver­stärkt die beklem­men­de Atmo­sphä­re, ohne sich in den Vor­der­grund zu drän­gen. Beson­ders her­vor­zu­he­ben ist die Kame­ra­füh­rung, die oft sehr nah an Leo­nard bleibt und so sei­ne Per­spek­tiv­lo­sig­keit und inne­re Zer­ris­sen­heit unter­streicht. Spe­zi­al­ef­fek­te gibt es kaum, was den Film authen­tisch und rea­lis­tisch hält.

Unfor­gettable, espe­ci­al­ly in Pearce’s start­ling per­for­mance

— die Washing­ton Post über Memen­to

Leonard Shelby — Meine Lieblingsfigur

Leo­nard Shel­by ist mei­ner Mei­nung nach eine der best­ge­schrie­be­nen und ein­zig­ar­tigs­ten Figu­ren in der Film­ge­schich­te. Er ist kein klas­si­scher Held, son­dern ein Mann, der sich in einer selbst erschaf­fe­nen Rea­li­tät bewegt, in der Wahr­heit und Täu­schung ver­schwim­men. Er ist ein tra­gi­scher Held in einer End­los­schlei­fe, aus der er nie ent­kom­men wird.

Ich gebe jetzt fünf Aspek­te die ihn beson­ders machen:

Sein unauf­halt­sa­mer Antrieb zur Rache
Leo­nard lebt eigent­lich nur für ein Ziel: den Mör­der sei­ner Frau zu fin­den. Doch sein eige­ner Zustand macht ihn zur Mario­net­te eines selbst­ge­bau­ten Sys­tems, das er selbst nicht mehr kon­trol­liert. Eine Sze­ne, die das ver­deut­licht, ist zum Bei­spiel eine Sze­ne am Anfang, als er sich dar­an erin­nert, dass “John G.” der Täter sei, ohne zu hin­ter­fra­gen, woher die­se Infor­ma­ti­on stammt.

Sei­ne Metho­den zur Erin­ne­rung
Ohne Kurz­zeit­ge­dächt­nis muss Leo­nard sich auf Pola­roids, Noti­zen und Täto­wie­run­gen ver­las­sen. Doch was als Hilfs­mit­tel dient, wird zu einem mani­pu­lier­ba­ren Werk­zeug. Eine Sze­ne, die das zeigt, ist, als er einen sei­ner eige­nen Hin­wei­se ver­brennt.

    Das ist die Sze­ne, in der Leo­nard sei­nen eige­ne “Erin­ne­run­gen” ver­brennt.

    Sei­ne Unfä­hig­keit zur Wahr­heits­su­che
    Obwohl Leo­nard sich für einen Detek­tiv hält, ist er das genaue Gegen­teil: Er glaubt, Wahr­heit zu suchen, erschafft aber unbe­wusst sei­ne eige­ne. Beson­ders ein­drück­lich ist die Sze­ne, in der Ted­dy ihm offen­bart, dass er sich selbst täuscht – doch Leo­nard ent­schei­det sich, die­se Erkennt­nis zu ver­ges­sen.

    Sei­ne tra­gi­sche Iso­la­ti­on
    Leo­nard ist völ­lig allein in der Welt. Er kann nie­man­dem ver­trau­en, nicht ein­mal sich selbst. Ein Moment, der das zeigt, ist, als er Nata­lie eine Ohr­fei­ge gibt und dann direkt die Erin­ne­rung dar­an ver­gisst, was Nata­lie aus­nutzt und in mani­pu­liert.

    Sei­ne Selbst­er­hal­tung durch Täuschung
    Eigent­lich stimmt der ers­te Punkt nicht ganz. Leo­nard lebt nicht nur für die Rache, son­dern für die Jagd selbst. Die Sze­ne, in der er sich ent­schei­det, eine neue Lüge auf­zu­bau­en, um sein Ziel wei­ter­zu­ver­fol­gen, zeigt: Sein Leben hat nur dann Sinn, wenn er eine Auf­ga­be hat, auch wenn sie auf einer Lüge basiert.

    Thematische Schwerpunkte

    Ich habe zwei The­men her­aus­ge­pickt, auf die ich jetzt mehr ein­ge­hen wer­de: die Unzu­ver­läs­sig­keit des Gedächt­nis­ses und Selbst­täu­schung als Über­le­bens­stra­te­gie.

    Die Unzu­ver­läs­sig­keit des Gedächt­nis­ses
    Ein zen­tra­les The­ma von Memen­to ist die Fra­ge nach der Zuver­läs­sig­keit des Gedächt­nis­ses. Wie bereits oft erwähnt ist Leo­nard nicht in der Lage, neue Erin­ne­run­gen zu spei­chern. Um sich  zurecht­zu­fin­den, erstellt er sich ein künst­li­ches Kurz­zeit­ge­dächt­nis, indem Pola­roid-Fotos, Noti­zen und Täto­wie­run­gen als Gedächt­nis­stüt­zen nutzt. Der Film zeigt jedoch, dass die­se objek­tiv schei­nen­den Hilfs­mit­tel nicht zuver­läs­sig sind. Sie sind genau­so feh­ler­an­fäl­lig wie das Gedächt­nis selbst. Leo­nard ver­lässt sich auf Infor­ma­tio­nen, die er auf den Fotos und Noti­zen fest­hält, doch die wei­sen sich immer wie­der als unzu­ver­läs­sig auf. Die­se Unzu­ver­läs­sig­keit ist nicht nur auf Men­schen mit neu­ro­lo­gi­schen Stö­run­gen wie Leo­nard beschränkt, es betrifft uns alle. Memen­to macht deut­lich, dass Erin­ne­run­gen kei­ne Auf­zeich­nun­gen der Ver­gan­gen­heit sind, son­dern stän­dig neu kon­stru­iert wer­den und von Emo­tio­nen, Über­zeu­gun­gen und äuße­ren Ein­flüs­sen ver­än­dert wer­den kön­nen.

    Selbst­täu­schung als Über­le­bens­stra­te­gie
    Ein wei­te­res zen­tra­les The­ma des Films ist die Selbst­täu­schung als Über­le­bens­stra­te­gie. Leo­nard ist von einem Trau­ma gezeich­net, dem Mord an sei­ner Frau. Um mit die­sem Trau­ma  umzu­ge­hen, macht er die Jagd nach dem Mör­der zu sei­nem Lebens­zweck. Der Film lässt jedoch lang­sam erken­nen, dass Leo­nard mög­li­cher­wei­se sei­ne Ver­gan­gen­heit selbst umge­schrie­ben hat, um sich einen Sinn in sei­nem Leben zu bewah­ren. Die Rache, die er sucht, gibt ihm eine Rich­tung und Struk­tur, aber die­se Suche ist auch ein Akt der Selbst­täu­schung, da Leo­nard eini­ge Wahr­hei­ten ver­drängt oder falsch inter­pre­tiert.

    Selbst­täu­schung wird als Über­le­bens­me­cha­nis­mus dar­ge­stellt. Leo­nard schafft sich eine Illu­si­on, um sich der Wahr­heit zu ent­zie­hen. Die­ses Ver­hal­ten ist auch im All­tag weit ver­brei­tet: Wir alle nei­gen dazu, uns selbst zu belü­gen um unan­ge­neh­me Wahr­hei­ten zu ver­drän­gen und um Erin­ne­run­gen zu beschö­ni­gen.

    Fazit — Weshalb jeder Memento gesehen haben soll

    Memen­to steht mit einer 8.4/10 auf IMDb und ran­giert als 57. bes­ter Film aller Zei­ten und das aus gutem Grund. Die raf­fi­nier­te Sto­ry, die die Zuschau­er mit jeder Sze­ne in die Irre führt, ist ein Meis­ter­werk der Erzähl­kunst. Die Struk­tur zwingt uns, die Geschich­te immer wie­der neu zu deu­ten und macht den Film zu einem inten­si­ven Erleb­nis.

    Memen­to zeigt, dass ein guter Film weit mehr ist als nur eine Hand­lung. Er ist ein Zusam­men­spiel von Sto­ry, Schau­spiel, Musik und visu­el­lem Stil. Jeder Aspekt des Films wur­de per­fekt aus­ge­ar­bei­tet, was ihn zu einem Klas­si­ker macht. Wer ein Erleb­nis sucht, das sowohl intel­lek­tu­ell for­dert als auch emo­tio­nal packt, kommt an Memen­to nicht vor­bei.

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